Der IRRE HERO | X+39

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Foto: Privat

7:20 Uhr – kein Wecker klingelt. Die Türe zum Schlafzimmer geht auf und zwei Stimmen singen: „Happy Birthday“. Mama mit Geschenken und einer Kerze in der einen Hand, und dem Smartphone in der anderen Hand. Zugeschaltet per Videotelefonie bist du. Ich habe Geburtstag und das ist seit deiner Geburt unser Ritual: Die restliche Familie weckt das Geburtstagskind mit einer Kerze, einem Geburtstagsständchen und den Geschenken. Schön!

Ich bekomme tolle Geschenke – zum Teil wirkliche Überraschungen und freue mich. Auch du hast dafür gesorgt, dass Mama dein Geschenk für mich besorgt hat. Super – eine wirklich gelungene Überraschung. Aber noch viel schöner finde ich die Tatsache, dass du dich mit Mama zu meiner Weckenszeit verabredet hast und an einem ungestörten Ort bist. Gut, der Ort ist MC Donalds und ich habe keine Ahnung was die anderen Gäste denken während du für mich singst 🙂

Du erzählst von deinem Wochenende in Cairns. Du bist noch völlig begeistert und strahlst beim erzählen. Vor allem aber bist du dankbar und glücklich, dass deine Gastmutter so aktiv ist und viel mit euch unternimmt. Das wäre wohl in anderen Familien nicht der Fall, berichtest du. Du hast viel in der Poolanlage gechillt und dir auch einen leichten Sonnenbrand geholt. Natürlich brauchst du keine Belehrungen darüber, sich besser einzucremen. Anhören musst du sie dir aber dennoch 😛 Wie schnell du das Thema wechseln kannst: es ist wohl jetzt nicht mehr ganz so heiß, sagst du. Deine Anreise hätte mitten im Hochsommer stattgefunden, jetzt würde es sich etwas abkühlen und wäre erträglicher. Während bei uns der Frühling kommt, beginnt bei dir der Herbst. Im Winter hat es dann im Schnitt angenehme 20°Celsius. Prima, Klima!

Während ich mir heute freigenommen habe, ist bei dir Alltag. Du sagst, die Hausaufgaben stünden jetzt an. Du wünschst mir noch einen schönen Tag und wir verabschieden uns. Im Anschluss schaue ich mir die WA-Nachrichten an und surfe etwas im Instagram herum. In deiner Story hast du ein Bild gepostet – das rührt mich sehr und macht den Tag für mich perfekt. Ich bin dein Hero. Danke Schatz. Ich liebe dich auch – und, immer einmal mehr. Oder einfach bis zum Mond….

Foto: Privat

Bleib ruhig, sagt Mama | X+37

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Seit meinem letzten Post ist jetzt eine Woche vergangen. Bis Aschermittwoch waren wir noch mit Karneval beschäftigt. Jetzt hat der Alltag wieder eingesetzt mit geregelter Arbeit und sonstigem Alltagskram. Gestern Abend komme ich nach Hause und bin von der Arbeit etwas erschöpft. Ich bin froh, dass es ein seichtes Fernsehprogramm gibt und freue mich auf die Couch und einer Tüte Chips. Mama liest ein Buch. Beim Durchstöbern der Mails sehe ich die Genehmigung deiner Reise nach Cairns. Mir wird mir bewusst, dass du mit deiner Gastmutter und einer Freundin über das Wochenende nach Cairns fährst. Wirklich viel darüber ausgetauscht haben wir uns nicht. Letzte Woche nur schnell die Formalitäten dafür geklärt – Fertig. Ich weiß gerade gar nicht, wann du genau du fährst, wo ihr wohnen werdet und was euer Plan ist. Mich überkommt ein blödes Gefühl und ich bemerke, dass du dich gerade auch nicht wirklich dolle meldest. Die Antworten auf unsere Fragen sind kurz und knapp. Sie bestehen meistens nur aus einem Wort: „ja oder nein“. Mama erkennt in meiner Stimme etwas Unmut. „Bleib ruhig, dass ist doch ein gutes Zeichen“, sagt sie. Klar, so kann man das auch sehen und ich besinne mich auf die Frage, wie viel Kontakt ist gut und richtig.

Dann, um 19:30 Uhr kommt eine Nachricht – bei dir ist es 4:30 Uhr. Warum bist du schon wach, frage ich. Du antwortest, dass ihr jetzt nach Cairns startet. Auf die restlichen Fragen nur die kurzen Antworten. Mama sagt, du seist bestimmt noch müde.

Heute morgen kommen Bilder. Du hast die Poolanlage fotografiert und bist schwimmen. Du siehst echt hübsch und glücklich aus. Nachdem ich jetzt auch den Namen des Hotels in Erfahrung gebracht habe, stalke ich mal wieder eben über Google Maps. Palm Royale Cairns – wow, das wäre auch schon ein Hotel für uns, wenn Mama und ich unsere Australienreise machen. Ich setze vorsichtshalber mal ein Link. Gut, jetzt bin ich wieder etwas mehr im Bilde. Sehe, dass es dir gut geht und bin etwas beruhigter. Während du dich gleich für das Abendessen fertig machst, decke ich jetzt mal den Frühstückstisch.

Beueler Stadtsoldat. Immer Immer Widder. | X+24

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Gestern hatten wir unsere Große Prunksitzung. Auf dieser bist du jedes Jahr mit dem Kindercorps aufgetreten. Erstmals, da warst du drei Jahre alt. Es war immer ein Highlight in der Session für dich. Oma und Opa haben dich dann nach dem Auftritt abgeholt. So konnten Mama und Papa noch feiern. Nun bist du schon ein junge Frau und seit dieser Session bei mir im Großen Corps. Doch gemeinsam konnten wir bislang noch keine Bühne rocken. Dafür müssen wir noch 293 Tage warten. Natürlich verfolgst du das Geschehen hier in Deutschland über die sozialen Medien. Du weißt, bei uns beginnt jetzt die richtig heiße Phase bei den Stadtsoldaten. Der Straßenkarneval. Heute morgen sehe ich in deiner Story ein wunderschönes Bild von dir in Uniform. Ich glaube, es war deine letzte Session im Kindercorps. Du hast das Bild mit der Musik von Cat Ballou untermalt: „Immer Immer Widder“. Das ist für mich gerade ein sehr emotionaler Moment. Ich habe Pipi in den Augen und weiß gar nicht so recht warum. Vielleicht weil ich weiß, wie sehr du den Karneval vermisst. Du bist halt auch ein Beueler Stadtsoldat und wir lieben den Karneval und das Brauchtum. Ich bin stolz, eine so hübsche Tochter zu haben und freue mich auf die kommende Session mit dir. Immer Immer Widder.

Quelle: https://www.youtube.com/watch?v=JrOhBpkyzlc

Newsletter deiner High School | X +17

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In meinem Mailfach erhalte ich eine Mail:

Dear Thomas
Welcome to the latest edition of our Schoolzine eNewsletter!
Visit the link below to view your newsletter:
http://pimlicoshs.schoolzineplus.com/newsletter/65484
Regards,
Joel Buchholz

Ich wusste nicht, dass es einen Schul-Newsletter gibt und schaue ihn mir natürlich sofort an. Wow, sehr professionell denke ich. Ich lese über das neue Schuljahr, über neue Kooperationen der Schule, neue Lehrer, Aktivitäten innerhalb und außerhalb der Schule und vieles mehr. Gute Informationsquelle denke ich, mal abspeichern. Als ich dann weiter nach unten scrolle, plötzlich Alina auf einem Foto. Hier werden die neuen Internationalen Schüler aus Deutschland vorgestellt. Endlich, jetzt habe ich auch ein schönes Foto von dir in deiner Schuluniform 😛

Quelle: https://pimlicoshs.schoolzineplus.com/newsletter/65484

Ein leises Rauschen, mehr nicht | X+15

Unser Haus verfügt über eine moderne Umluftheizung. Wenn sie anspringt, nimmt man ein leises Rauschen durch die Lüftungsventile wahr. Liege ich morgens im Bett und die Heizung springt an weiß ich, es ist sechs Uhr. Für gewöhnlich nehme ich Wochentags dann noch weitere Geräusche wahr. Ein hoch- und herunterlaufen über die Treppe, den Föhn, die Kaffeemaschine und mehr. Heute nehme ich irgendwie ganz bewusst wahr, dass diese Geräusche fehlen. Ich will nicht sagen sie fehlen mir, aber es macht sich eben niemand in unserem Haus für die Schule fertig – noch ganze 302 Tage lang nicht.

Heute morgen schickst du tolle Fotos und Videos. Du hast an dem International Student Program der Pimlico State High School teilgenommen. Ein Ausflug mit allen internationalen Austauschschülern deiner Schule. Ihr habt ein Wildgehege und das weltgrößte lebende Coral-Reef-Unterwasseraquarium besucht. Hier konntet ihr einmalige australische Wildtiere ganz nah erleben: Krokodile, Koalas, Kangaroos, Schlangen, Wombats und viele einheimische Vogelarten. Das Wildgehege fandest du super – das Aquarium ganz ok. Du würdest lieber tauchen gehen. Mama ist ganz aus dem Häuschen, sie mag die Koalas so sehr und freut sich für dich. Du siehst zufrieden und glücklich aus.

Yummi, Yummi & Lotto | X+12

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Selbst sitze ich bei einem verspäteten Frühstück. Du schickst bereits Bilder von deinem Abendessen. Es ist Dienstag, und da geht deine Gastmutter mit dir und deiner Gastschwester immer in den Cowboys Leagus Club. Dienstags findet dort wohl immer ein Lottoabend satt – ähnlich wie Bingo, schreibst du. Die Bilder sprechen Bände – ich kann es mir gut vorstellen: Genau dein Ding 😀 Aber immerhin schwärmst du von dem Essen. Selber willst du kein Lotto spielen – wäre dir das Geld nicht wert. Gutes Kind, Papa spielt sowas auch nicht! Gedanklich bin ich jetzt gerade auch schon bei unserem Abendessen. Dabei fällt mir ein, du wolltest mein Rezept der Penne Carbonara haben. Vielleicht mache ich die heute Abend und ich nehme das für dich einmal auf Video auf.

Nur sporadisch Nachrichten | X+10

Die letzten drei Tage sind vergangen wie im Flug. Mama und ich sind gerade wieder im Karneval unterwegs – du weißt ja, dann wird es bei uns immer etwas hektischer und es bleibt wenig Zeit für die anderen Dinge. Gerade fühlt es sich für mich an, als ob ich dich in den letzten Tagen vernachlässigt habe – ich habe dir kaum geschrieben. Du warst mit den Nachrichten auch etwas karger. Nur kurz mal eine Info, was gerade bei dir geht. Du bist viel unterwegs. Jetzt kommt mehr und mehr der Alltag rein. Auf beiden Seiten. Heute morgen schickst du ein Video. Du hast die Umgebung von deinem Haus eingefangen. Du schreibst, dass ihr wieder im Rock Pool schwimmen gewesen seid und du mit deinen Freunden in Cafes bist. Nach der Schule seid ihr zu einer Freundin nach Hause gefahren. Die Familie hat im Garten einen Pool. Was soll man bei der Hitze auch machen, außer ständig im Wasser zu hängen 😀

Komisch für mich, dass in unserem Wohnzimmer jetzt nur noch meine Uniform hängt und ich ohne dich mit den Stadtsoldaten unterwegs bin. Viele Kadetten und Kameraden fragen nach dir – wie es dir geht und wie du dich einlebst. Auch die ehemaligen Betreuer des Kindercorps stellen viele Fragen – sie kennen dich am längsten, bist ja schon seit jungen Jahren ein Karnevalsjeck 🙂 Also mache ich in dieser Session den Karneval ohne dich und freue mich, dass du im kommenden Jahr wieder mit dabei bist.

Eine Woche wie im Flug | X+7

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Letzte Woche Donnerstag haben wir dich am Frankfurter Flughafen für die folgenden 317 Tage verabschiedet. Das ist jetzt schon eine Woche her – gefühlt, bist du gerade erst gestern durch die Zollkontrolle gegangen.

Du bist schon öfters alleine von zu Hause weg gewesen. Auf Austauschfahrten mit der Schule, Ferienfreizeiten mit Organisationen oder wie letztes Jahr für zwei Wochen in England bei einer Gastfamilie. Irgendwie war das nie ein großes Thema bei uns – wir wussten ja, nach spätestens zwei Wochen kommst du wieder zurück. Eine überschaubare Zeit, für alle Beteiligten. Da konnte ich es auch gut vertragen, wenn wir einmal für drei Tage keinen Kontakt hatten. Heute aber fällt es mir deutlich schwerer und ich werde von Mama ermahnt, nicht soviel im WA-Familienchat zu fragen 🙁

Umso glücklicher bin ich aber jetzt gerade, weil du dich mit uns für 13:00 Uhr zum Videotelefonat verabredet hast. Ich denke, dann ist es bei dir doch schon 22:00 Uhr – ziemlich spät. Vorher hast du aber keine Zeit, weil du jetzt noch einmal schwimmen gehst. Um 20:00 Uhr deiner Zeit – im Meer, es sei ja schließlich warm genug schreibst du.

Du schickst ein Bild mit einem abgetrennten Poolbereich vom Meer. Ziemlich cool – und das quasi direkt von deiner Haustüre. Ich will es natürlich genau wissen und stalke schon wieder 😯 Ah, Rock Pool heißt der Strandabschnitt und habe jetzt ein Gefühl dafür, was du gerade tolles erlebst.

Foto: Privat
Quelle: Googlemaps (unbeabsichtigte und unbezahlte Werbung)

Und dann, endlich 13:00 Uhr unserer Zeit – 22:00 Uhr deiner Zeit, das Videotelefonat! Es geht dir gut und wir spüren, dass du bereits einen Alltag lebst. Der Tag würde schnell vorüber gehen – du hast von 8:45 bis 15:00 Uhr Schule und danach unternimmst du noch etwas mit deiner Gastmutter oder Gastschwester. Abends würdest du völlig erschöpft ins Bett fallen. Die Hitze macht dir offenbar noch am meisten zu schaffen – dein Körper braucht halt noch Zeit. Du erzählst von deinen ersten Schultagen und davon, dass die Australischen Mitschüler dich ziemlich „cool“ finden. Sie haben Recht! Die Verständigung klappt recht gut – nur in der Schule würdest du noch nicht ganz so mitkommen. Kein Wunder, fremde Sprache und dann noch Schulstoff mit möglicherweise Fachbegriffen. Auch das braucht halt noch etwas Zeit.

Am Wochenende möchtest du mit deine Gastschwester das Musical Mama Mia – besuchen – das gastiert jetzt in deiner Stadt. Ich checke das Internet und finde die Seite „What´s on in Townsville“. Ah, die speicher ich mir mal direkt ab. Man will ja informiert bleiben 😉

Wunderbar, alle Fragen beantwortet, Papa beruhigt. Zeit für dich ins Bett zu gehen – wir haben hier ja noch ein paar Stunden bis zum Abend.

Erstes Känguru | X+4

Zugegeben, Steffi und ich sind Tatort-Junkies. So haben wir natürlich auch gestern unser Ritual gefrönt. Wie sich das für einen gut informierten Bürger gehört, schauen wir zuvor die Tagesschau 🙂 Mit dem Beginn „Es ist 20:00 Uhr, hier ist das Erste Deutsche Fernsehen mit der Tagesschau“, plingt eine WA Nachricht auf: „Kannst du bitte noch etwas mehr Geld auf die Kreditkarte laden, weil wir morgen einen Ausflug machen und ich ja auch noch die Schuluniform kaufen muss?“. Zuerst denke ich, dass man mit dem aktuellen Kreditkartensaldo durchaus einen sehr guten Kurzurlaub finanzieren könnte – dann aber, warum ist sie überhaupt wach? Es ist bei dir 5:00 Uhr morgens. Du kannst nicht schlafen, schreibst du. Na klar – Time-Lag. Wir schreiben noch ein wenig „belangloses Zeugs“ hin und her, wobei ich jede Nachricht und Information von dir aufsauge wie ein Schwamm. Dann ist wieder Ruhe im Chat.

Der wirklich gut informierte Bürger schaut nach dem Tatort die Tagesthemen oder Anne Will. Langweilige Diskussion – ab ins Bett. Ich schreibe dir: „Guten Morgen Schatz, wir gehen jetzt ins Bett. Gute Nacht!“ Ein komisches Gefühl überkommt mich – wir haben wirklich immer nur ein kurzes Zeitfenster, wo wir miteinander sprechen können. Wir müssen uns darauf einschwingen.

Die Nacht war ruhig – vielleicht auch deswegen, weil Mama erstmals ihr Mobil hat in der Küche unten liegen lassen. In den Nächten zuvor lag es griffbereit auf dem Nachttisch. Auch konnte ich es „vermeiden“ nachts auf mein Mobil zu schauen, wenn ich mal eben zur Toilette musste. Schleicht sich hier etwas Normalität ein?

Heute morgen, ich bin um 7:00 Uhr wach, schickst du uns erste Bilder von einem traditionellem Gebäck und einer Latte Macciato. Kraftvolles Frühstück denke ich, aber bei dir ist ja schon wieder 16:00 Uhr – also Kaffeezeit. Du berichtest, dass ihr auf dem Ausflug seid und zeigst uns Bilder von unberührten Landschaften. Auch kommt ein erstes Bild von dir mit deiner Gastschwester – ihr habt es mit einem Filter versehen – so nennt man das wohl, wenn verrückt Bildchen zu sehen sind. Das zeigt mir, dass es dir gut geht und ihr Spaß habt. Ein schönes Gefühl. Eine kleine Videosequenz in dem Snapchat -Account zeigt darüber hinaus ein weghüpfendes Känguru. Dein erstes Kängurus in Freiheit – oder wenn ich richtig denke, überhaupt wie der Rheinländer sagt.

Ich gehe duschen und bemerke, der Abfluss läuft nicht richtig ab. Bestimmt ist das Auffangsieb wieder mit euren Haaren voll – die von dir und Mama, wobei deine langen Haare der größte Übeltäter darstellt. Aus der Nummer bin ich mit meiner Frisur nämlich definitiv raus! Ich habe das Sieb schon tausende Male gesäubert. Heute aber erstmals mit dem Gedanken, dass ich deine Haare letztmalig für die kommenden Monate entferne. GENAUGENOMMEN FÜR DIE KOMMENDEN 313 TAGE. Auf zur Arbeit, wenn ich wieder zurück bin, schläfst du schon wieder. Wir haben im normalen Tagesbetrieb wirklich nur ein kurzes Zeitfenster…

The day after | X+1

Ich liege wach im Bett. Die Nacht war OK. Die Heizung springt an – es muss also 6:00 Uhr sein. Ich weiß, du hast jetzt deinen Stopp-Over in Abu Dhabi. Vielleicht hast du ja schon ein Signal geschickt. Ich stehe auf und checke die Nachrichten auf WA. Ein Bild hast du geschickt: Kurz und knapp – in Abu Dhabi. Mir gehen gerade tausend Fragen durch den Kopf. Aber besinne ich mich mal darauf, dass es dir gut geht. Sonst hättest du sicherlich etwas geschrieben. Ich antworte dir nur: Guten Morgen Schatz, einen guten Weiterflug! Erst auf den zweiten Blick sehe ich, dass du die Getränke auf unsere Bierdeckel gestellt hast. Ja, du bist genauso verrückt wie deine Eltern 😛

Ich fange an den Block des gestrigen Tages zu ergänzen. Jetzt sind es 7:16 Uhr und genau in diesem Moment hebt der Flieger ab Richtung Sydney. Du hast jetzt einen 14 Stundenflug vor dir.

Foto: Privat (unbeabsichtigte und unbezahlte Werbung)

16:15 Uhr
Ich bin ziemlich erschöpft. Zwar hatte ich heute extra mit meiner Arbeit später begonnen, aber den emotionalen Stress der letzten Tage habe ich unterschätzt. Nach einem kleinen Nickerchen kann es dann weitergehen im Programm. Planmäßig soll Alina in fünf Stunden in Sydney landen. Ich wäre froh zu wissen, dass sie die Immigration-Control schon passiert hätte. Die Australier sind, was eine Einreise in ihr Land betrifft, ziemlich streng. Schon nicht deklariert Medikamente (die haben wir ja alle einmal dabei, sei es nur Ibu´s), können zu ernsthaften Problemen führen. Vielleicht habe ich zu oft Border-Patrol Australia gesehen, aber Vorsicht ist ja bekanntlich die Mutter der Porzellanküche. Ich denke, Alina ist gut vorbereitet und wird das souverän meistern.

22:18 Uhr
Ich bin inmitten einer Karnevalsveranstaltung dessen Programm ich als Literat gestaltet habe. Zwischen den Telefonaten mit den auftretenden Künstlern sichte ich einen verpassten Anruf von Alina über Facetime – sofort mache ich den Familienchat bei WA auf, darin: TOM KANNST DU DICH BEI ALINA MELDEN? Ich versuche sie über alle Kanäle zu erreichen – vergebens. Ein Telefonat mit Steffi klärt auf: Alinas Koffer sei zwar für den Weiterflug durchgecheckt, sie hätte aber keine Bordkarte. Sofort geht mein Körper in den Alarmmodus. Ich spüre, wie mir heiß wird und das Adrenalin schießt. OK, ich weiß genau wo alles ist: Alina hat eine Dokumentenmappe – die habe ich logisch sortiert – das Bordticket ist dort als E-Ticket auf einem Ausdruck mit Flugzeiten eingeheftet – Seite 3! Ich schreibe Alina die Informationen und zusätzlich, dass sie auch einfach nur mit ihrem Reisepass zum Schalter gehen könne. Ich denke, dass Thema ist durch aber jetzt habe ich mein Mobil offen liegen und ständig im Blick.

22:30 Uhr
ERNEUTER ALARM: Der Koffer des Jungen mit dem Alina zusammen reist ist nicht angekommen. Sie fragt, was sie tun sollen? Der Bus zum Anschlussflug würde gleich gehen. FUC…. denke ich, soviel Adrenalin gibt es doch gar nicht im Körper. Alina würde gerne bei dem Jungen bleiben und ihm zur Seite stehen, aber den Anschlussflug möchte sie auch nicht verpassen. Sie ist hin und her gerissen. Ich verstehe sie gut – sie ist ein sehr empathischer Mensch mit einem großen Herz für andere – erst Recht, wenn sie helfen kann. Mittels einer Familienkonferenz wägen wir ab: Sie sollen bitte die Notfallnummer der Organisation (Letzte Seite Dokumentenmappe – diese sehe ich genau vor meinem geistigen Auge) wählen – Alina selber soll aber alles schon vorbereiten mit Check-Inn, Ihren Koffer abgeben, Zoll etc, dass sie den Weiterflug antreten kann. Wir empfehlen, dass der Junge zur Not ohne Koffer weiterfliegen soll. Vermutlich ist er in Abu Dhabi falsch geleitet worden, dann wird er eben zwei Tage später nachgeschickt. Hauptsache die Pänz kommen am Zielort an. SCHEISS AUF DIE KOFFER, MAN! Der Junge ist von der Idee wenig begeistert – er selber hat aber auch keinen Plan. Ich frage mich, was seine Eltern ihm raten würden? Zunächst Ruhe im Chat.

22:38
Wir fragen ob Alina schon losgegangen sei. Es kommt keine Antwort. Die letzten acht Minuten kamen mir wie eine Ewigkeit vor – zwischenzeitlich noch Gagen für die Künstler unserer Veranstaltung ausgezahlt und gecheckt, ob der folgende Künstler schon da ist – weinigsten hier läuft alles Rund. Ich checke im Sekundentakt die Nachrichten. ES KOMMT NICHTS! Die Sendung „Fragestunde mit Tom“ beginnt: Ist sie im Flieger, hat der Junge den Koffer, ist sie ohne Komplikationen durch den Immigration-Check… und tausende mehr….

23:01 Uhr
NACHRICHT: „Ich hab jetzt mein Ticket und er hat auch seinen Koffer. Uns holt jetzt ein Bus ab und bringt uns zum Flughafen, weil das ist woanders. Ich gehe jetzt durch den Zoll, Entspannt Euch. Ich habe alles und ich wäre auch ohne den Jungen geflogen“
Wir applaudieren im Chat. Oh, der nächste Künstler will auch schon sein Geld. Was für ein emotionaler Ritt.

00:07 Uhr
Wir verfolgen Flugradar. Der Weiterflug hebt ab. Wissend, das Alina auf dem Weg zur Zieldestination im Flieger sitzt. Unsere Veranstaltung ist beendet – eigentlich der Zeitpunkt für ein paar Kölsch. Die schmecken mir heute nicht, ich gehe nach Hause.