
Ich muss es zugeben. Ein gespannter Flitzebogen ist ein Scheißdreck gegen mich! Ich merke, dass die Anspannung von Tag zu Tag zunimmt. Noch drei Tage….
Planmäßig sollst du am Sonntag um 12:00 Uhr in Frankfurt landen. Bis dahin ist es aber noch ein langer Weg. Ganze 15.052 Km. Und die eine oder andere Hürde ist noch zu nehmen.
Als die Corona-Pandemie im März ausbrach habe ich nicht gedacht, dass wir Ende des Jahres, wenn du jetzt zurückkommst, immer noch mit dieser Situation kämpfen. Ich war der festen Überzeugung, dass die Rückreise ganz normal und easy stattfinden wird. Davon sind wir aber weit entfernt.
Insolvente Fluglinien, gestrichene Flugverbindungen, komplette Flugplanänderung haben wir bereits gemeistert. In Gedanken bin ich alle möglichen Situation durchgegangen. Für die mir abwägbaren Situation habe ich entsprechende Vorkehrungen getroffen. So hast du jetzt ein Hotelzimmer zum Rückzug während deines Aufenthaltes in Sydney. Auch das war nicht ganz einfach, du bist ja noch minderjährig und alleine unterwegs. Aber das Hotel hat mich sehr gut unterstützt und alles notwendige arrangiert.
Heute Nacht um 2:00 Uhr erreicht uns eine Nachricht von dir. Der, für die Flüge notwendige, Coronatest ist negativ. Prinzipiell bin ich von nichts anderem ausgegangen. Corona ist in Australien, speziell in Townsville, seit Monaten kein großes Thema mehr. Dennoch schwang immer eine unbewusste Sorge mit. Was, wenn dir durch ein positives Testergebnis der Flug verweigert wird. Gar nicht auszudenken….
Gut, hier können wir erst einmal aufatmen. Wahnsinn, wie wir beide die Organisation des Testes geregelt haben. Es galt zu beachten, dass der Test nicht älter als 96 Stunden vor Abflug ist. Dass du spät abends abfliegt – und dann auch noch an einem Sonntag – machte die Situation nicht einfacher. Das Wochenende konnten wir ja nicht mit einplanen, da die Labore an diesen Tagen nicht arbeiten. Nach langem hin und her, vielen Telefonaten mit dem Krankenhaus, haben wir dann einen entsprechenden Zeitplan entwickelt. Die Hürde haben wir genommen. Ich bin so stolz auf dich wie du das alles dort meisterst – alleine.
Jetzt gilt es zu hoffen, dass du mit diesem Test auch an Bord kommst – dass er für die Fluggesellschaft ausreichend ist. Ich sage dir, ich schlage drei Kreuze wenn du im Flieger von Sydney nach Abu Dhabi sitzt. Denn die Vereinigten Arabischen Emirat haben, was Corona betrifft, eine große Hürde zur Einreise aufgebaut. Ach ja, ich muss mir wieder die Flugradar-App laden, fällt mir ein.
Ich frage mich, wie es dir wirklich geht. Du sagst zwar alles gut aber es sind bei dir jetzt nur noch zwei Tage bevor es losgeht. Ich denke auch du weißt, dass sich jetzt ein großes Lebensereignis dem Ende zuneigt. Der Abschied dort ist ein völlig anderer Abschied als du seinerzeit von uns nach Australien geflogen bist. Damals wusstest du, du kommst wieder zurück nach Hause. Diesmal ist es aber, dass ein Lebensabschnitt für dich komplett beendet wird. Heute Morgen haben wir telefoniert und ich fragte dich, ob du dir noch einmal den Sonnenuntergang oder Sonnenaufgang anschauen gehst. Du sagtest nein, das hättest du zu genüge in diesem Jahr gesehen. Außerdem bist du weiter mit den Abschieden beschäftigt. Ich finde das ganz toll, wie du deinen Abschied dort vorbereitest. Mit den wichtigen Freunden bist du essen gegangen. Du hast mit allen etwas persönliches gemacht und nicht einfach nur eine große Abschiedsparty. Große Partys liegen dir ohnehin nicht. Von daher brauchen wir auch kein schlechtes Gefühl haben, dass es keine große Willkommensparty mit vielen Personen gibt. Das ist uns hier ja leider verboten. Ohnehin bin ich sehr gespannt, wie du mit den Gegebenheiten in Deutschland zunächst zurecht kommen wirst. Du lässt wirklich ein „Stück Freiheit“ hinter dir.