
Bei dem Wort Halbzeit denkt man unweigerlich an Fußball. Dabei gibt es viele weitere Sportarten mit einer Halbzeit. Im Sport markiert die Halbzeit für gewöhnlich den Beginn einer Pause. Wenn ich heute über die Halbzeit spreche, bezieht sich das auf deinen Aufenthalt in Australien, denn auf eine Pause. Du bist jetzt 158 Tage dort und hast die Hälfte deiner 317 Tage „geschafft“.
Es gab bislang Höhen und Tiefen. Nach meiner Auffassung jedoch deutlich mehr Höhen. Ich merke, du machst eine große Entwicklung durch. Vielleicht ist es auch eine völlig normale Entwicklung und es kommt mir nur aufgrund der Ferne und des „wenigen“ Kontaktes, so vor. Wie dem auch sei. Ich reflektiere und stelle mir als erstes die Frage, war es eine gute Entscheidung, dich ins Ausland gehen zu lassen? Haben wir dir in deinem Alter vielleicht zuviel zugetraut und damit zugemutet? Würden wir mit dem heutigen Wissen gegebenenfalls anders entscheiden? Das alles lässt sich natürlich nicht pauschal beantworten. Mein Gefühl aber sagt mir, alles richtig gemacht! Und natürlich hoffe ich, dass sich das auch nach deiner Rückkehr so bestätigt. Dennoch kommt es vor, dass ich hin und wieder ein schlechtes Gewissen habe. Du hast schon so viele unterschiedliche Situationen selbstständig meistern müssen. Zum Teil waren da auch große Herausforderungen dabei. Situationen, wo ich als Papa gerne die Dinge für dich geregelt hätte. Aber das gehört dann wohl zu meinem Prozess: Loslassen. Auch bin ich sicherlich nicht mit allem einverstanden was „dort läuft“. Und ich kann mich nur darauf verlassen, die richtigen Worte zu finden, so dass du selbstreflektierst die Dinge änderst. Einen direkten Zugriff habe ich ja nicht 🙂
Wir stehen in einem ausreichendem Kontakt zu dir. Er ist deutlich enger in etwas „schwierigeren“ Zeiten und geringer im „Alltag. Auf jeden Fall habe ich das Gefühl, dass wir dich in den unterschiedlichsten Situationen gut begleiten können – die technischen Gegebenheiten machen das möglich. Schön empfinde ich, dass du dich mit allen Fragen an uns wendest – zum Teil auch mit sehr persönlichen Dingen. Das zeigt, wir haben alle ein sehr gutes Vertrauensverhältnis untereinander. Du suchst dir deine Gesprächspartner auch gut gewählt aus. Einige Dinge besprichst du lieber mit Mama, andere mit mir.
Oh, ich denke an Corona, deinen ersten Heimwehanfall, deinen Geburtstag und viele weitere Situationen und Stationen auf deinem derzeitigen Weg. Emotionale Momente, Wut, Ärger, Zweifel und Fragen. Dann erinnere ich mich an das, was ich dir in das Abschiedsbuch geschrieben habe:
„Es wird sicherlich Momente geben in denen Du zweifelst – vielleicht an der Sache oder aber auch an Dir selbst. Aber ein Vogel hat niemals Angst davor, dass der Ast unter ihm brechen könnte. Nicht, weil er dem Ast vertraut, sondern weil er seinen eigenen Flügel vertraut.„
Vertraue weiter auf dich und deine Fähigkeiten – diese sind in den letzten 158 Tagen wahrlich gewachsen und es warten noch weitere 158 Tage mit spannenden Momenten auf dich. Ich bin unheimlich stolz auf dich und denke oft vor dem Einschlafen an dich. Ich weiß das ist die Zeit, wo dein Tag dann beginnt. Und jeder Tag ist ein kleines neues Abenteuer. Noch ganze 158 Mal.