
Ich liege noch im Bett und mein Telefon klingelt. Verschlafen nehme ich deinen Videoanruf an und sehe sofort, dir geht es nicht gut. Du bist im Büro deiner Gastmutter und wartest darauf, dass sie Feierabend hat. Du sieht traurig aus und berichtest von deiner Schule. Du sorgst dich um einige Fächer, in denen du aktuell noch nicht richtig mitkommst. Unter anderem in Accounting – eine Art Rechnungswesen wie ich verstehe. Kein Wunder, dass hast du jetzt seit wenigen Wochen und da muss man wirklich auch einmal reinkommen. Ich erinnere mich an mein Studium. Deine größte Sorge ist, dass in der kommenden Woche Examen geschrieben werden – bei uns nennt man das Klausuren. Du hast Angst, dass du dort durchfällst. Ich versuche dich zu beruhigen, dass du nicht durchfallen kannst und es auf die Noten für deinen weiteren Weg hier in Deutschland ja nicht wirklich ankommt. Das soll natürlich kein Freibrief für „Nichtstun“ sein aber immerhin Druck rausnehmen. Ich weiß, dass du sehr strukturiert bist und für dich hier in Deutschland ein gutes System zu lernen entwickelt hast. Du meisterst das völlig alleine und bist in der Schule echt super. Aber jetzt fehlt dir dieses „vertraute System“. Auch einfach einmal deine Nachhilfe anrufen und etwas fragen, geht nicht. Neue Fächer, fremde Sprache – alles Kacke. Ich verstehe. Immerhin hast du mir aufmerksam zugehört und wirkst etwas entspannter.
Nachmittags, ich bin im Baumarkt, rufst du noch einmal an. Du liegst schon im Bett und möchtest schlafen, fühlst dich aber unruhig und aufgewühlt. Du bittest mich, dir eine Entspannungshypnose als Audiodatei zu schicken. Oh, danach hast du noch nie gefragt und wenn ich dir schon einmal eine entsprechende Audiodatei hier in Deutschland angeboten habe, hast du sie stets abgelehnt. Ich frage mich nicht, ob es jetzt wirklich richtig schlimm bei dir ist, ich fahre einfach schnell nach Hause und schicke dir eine kleine Auswahl von „Ruhe und Gelassenheit“ bis hin zu „Motivation und Zielerreichung“. Ich freue mich auf deine Rückmeldung.